Amelie hat eine emotionale Zeit in British Columbia
Austauschschülerin Amelie ist für fünf Monate im schönen British Columbia. Seit Januar lebt sie bei einer Gastfamilie in Victoria und hat sich in den vergangenen Wochen mehr als nur eingelebt. In einem ersten Interview haben wir sie schon zu ihrer Anfangszeit befragt. Nun folgt die Fortsetzung:
Liebe Amelie, schön, dass du wieder Zeit für ein Interview hattest. Wir sind schon ganz gespannt, zu hören, wie es dir seit dem vergangenen Gespräch ergangen ist. Du hast ja den Spring Break hinter dir – kannst du ein bisschen was dazu erzählen?
Ja, gerne. Spring Break hat donnerstags angefangen, also der Freitag war schon frei. Und wir haben es auch alle gebraucht – davor gab es viele Klausuren. Wir haben alle einen neuen Motivationsschub gebraucht. Gleich am Freitag habe ich mich dann mit Freunden zum Schlittschuhfahren getroffen. Das war ziemlich lustig, ich habe mich noch am Mittag mit meiner Freundin Laeticia zum Sonnenbaden in ihrem Garten getroffen. So lagen wir also mittags im Bikini in der Sonne und waren abends Schlittschuhlaufen – einfach unglaublich. Man konnte den Frühling schon richtig spüren.
Das hört sich toll an. Bist du mit deiner Gastfamilie weggefahren oder seid ihr in den Ferien zuhause geblieben?
Zuerst habe ich noch einige Freunde getroffen, aber dann sind meine Gasteltern, meine Gastschwester Kiki, Hund Lissy aufgebrochen, um einen Ausflug zu machen. Wir sind mit dem Auto an einen kleinen Ort am Meer gefahren, Port Renfrew, das ist nicht weit weg von hier. Dort hatten wir hatten eine wunderschöne kleine Cabin mit Feuerplatz und allem drum und dran. Am ersten Abend haben wir einen Spaziergang gemacht und alles erkundet und abends am Lagerfeuer gesessen, einen Film geschaut und S’mores gegessen – das sind Kekse mit Schokolade und Marshmallows. Es war sehr gesellig und ich war die ganze Zeit den Tränen nahe, weil die Stimmung so toll war.
Wie war denn die Umgebung dort auf Vancouver Island?
Einfach unglaublich. Vor allem während unserer Wanderung am Botanical Beach an der Pazifikküste. Wir waren sechs Stunden unterwegs und ich glaube solch eine tolle Natur habe ich noch nie gesehen. Dabei hatten wir auch das Glück, dass unser Gastvater viel über Meeresbiologie weiß und wir sind alle zwei Sekunden stehengeblieben, weil es so viel zu sehen gab. Unglaubliche Sachen, die ich noch nie gesehen habe. Dieses Schauen auf kleine Dinge – das hat mich echt beeindruckt und auch nachdenklich gemacht. Wir sind den ganzen Tag am türkisblauen Meer gewandert und auf unserem Rückweg am Nachmittag sind wir an einer Stelle vorbeigekommen, an der First Nations leben. Dort haben wir gestoppt und ich konnte auch zu diesem Teil der Geschichte Kanadas noch viel lernen. Am Abend gab es wieder ein Lagerfeuer und wir haben Karten gespielt. Am nächsten Tag haben wir noch einen anderen Strand besucht, der war wieder sehr malerisch. Das Meer, die Berge... einfach toll. Meine Gastschwester und mein Gastvater haben sich dann ein wenig umgeschaut und einen Wasserfall gefunden. Wir sind dorthin geklettert – das war sehr beeindruckend, fast wie im Bilderbuch. Danach ging es zurück für uns nach Victoria, aber ich habe eigentlich gleich wieder die Koffer gepackt. (Lacht.)
Wohin ging es dann für dich? In British Columbia kann man ja sehr viel erleben.
Ja, genau. Gleich am nächsten Tag bin ich alleine mit der Fähre nach Vancouver gefahren. Dort hat mich ein Kollege meines Vaters mit seiner Familie erwartet. Bei ihnen durfte ich eine Woche wohnen. Nachdem wir erst einmal shoppen waren, sind wir dann nach Langley gefahren, wo die Familie lebt. Was ich vorher nicht wusste, ist, dass dort eine meiner Lieblingsserien – Riverdale – spielt. Das war für mich natürlich mega toll und ich habe mir viele Schauplätze der Serie angeschaut. Am nächsten Tag haben wir Vancouver entdeckt: wir waren im künstlerischen Teil der Stadt mit vielen Markthallen, dann sind wir mit dem Wassertaxi in die Stadt gefahren und haben dort gegessen und auch am Tag darauf waren wir noch einmal Downtown, das Wetter war perfekt und die Stadt unglaublich schön. Wir haben den Gastown-District besucht – das historische Zentrum Vancouvers. Ein Ausflug dorthin ist mehr als empfehlenswert. Ich würde sagen, Vancouver ist bislang eine meiner Lieblingsstädte mit einem ganz besonderen Spirit.
Vancouver liegt ja auch in einer ganz bezaubernden Natur – habt ihr auch einen Ausflug raus aus der Stadt gemacht?
Ja, Vancouver liegt ganz toll und nicht weit entfernt liegt der Ort Whistler, eines der größten Skigebiete Nordamerikas. Das ist etwa eineinhalb Stunden entfernt. Ich träume heute noch von den schneebedeckten Bergen. Schon der Weg dorthin war ein Traum. Wasserfälle, Berge... Kanada wie im Bilderbuch. Ich hätte am liebsten den ganzen Tag gefilmt und war echt sprachlos. In Whistler sind wir dann mit der Gondel hochgefahren. Das war ein unglaublicher Ausblick. Dann konnte man mit der Peak-to-peak-Gondel über das Tal fahren. Die Gondel hatte einen Glasboden – das war so toll, ich habe sowas noch nie gesehen. Auch am Rückweg haben wir andauernd an Aussichtspunkten angehalten und hatten beim Sonnenuntergang einen traumhaften Blick auf Vancouver Downtown. Tags darauf waren wir in Fort Langley, dort habe ich viel über die Geschichte British Columbias gelernt. Das war sehr interessant.
Dann ging es zurück zu deiner Gastfamilie in Victoria. Wie habt ihr Ostern erlebt?
Ich habe eine Schwarzwälder-Kirschtorte für gebacken und abends sind wir dann in die Kirche gegangen. Das war sehr schön. Noch nachts habe ich gleich das riesige Paket aufgemacht, das mir meine deutsche Familie geschickt hat. Morgens gab es dann einen kanadischen Easter-Egg-Hunt im Garten. Nachdem wir spazieren waren, habe ich für alle Knödel gemacht. Außerdem gab es auch rumänisches Essen, so waren viele unterschiedliche Traditionen vereint. Mit meiner Familie zuhause habe ich geskyped.
Nach Ostern begann dann für dich wieder der Schulalltag als Austauschschülerin in Victoria oder?
Das kann man nicht ganz so sagen. Ja, die Schule hat wieder begonnen aber schon kurz danach ging es für unsere Stufe in ein Retreat Camp. Das ist für die Schüler in meiner Schule, St. Andrew‘s Regional High, eine große Sache. Und auch für mich waren das zwei der besten Tage meines Lebens. Ich habe selten so viel nachgedacht, geweint und geliebt. Die Menschen in meiner Stufe sind etwas ganz Besonderes. Schon als wir dort angekommen sind, war alles echt schön: ganz liebevoll gestaltet und durchdacht. Los ging es mit Eisbrecher-Spielen wie Bingo und einer Tanzparty - es war einfach cool. Das Camp lag an einem See umgeben von Wasser. Es war die schönste Location – die man sich hätte wünschen können. Nach dem Abendessen gab es inspirierende Talks von mitgereisten Zwölftklässlern, die uns ihre Lebensgeschichte erzählt haben. Eine Kerze wurde herumgereicht, es war sehr bewegend und ich konnte meine Mitschüler noch einmal auf einer ganz anderen Ebene kennenlernen.
Das hört sich nach einer sehr besonderen Erfahrung an...
Ja, das war es auch. Ich bin echt froh, dass ich während meines High-School-Jahres hier in Kanada solche Erfahrungen machen darf. Schon am nächsten Tag ging es total emotional weiter. Ich bin mit meiner besten Freundin ein bisschen früher aufgestanden und wir haben uns mit der Ukulele ans Wasser gesetzt und gesungen. Ich bin echt glücklich hier und dankbar für jeden einzelnen Menschen, den ich hier kennengelernt habe. Nach dem Frühstück gab es dann weitere Talks genau zu den Themen, die uns eben zurzeit beschäftigen. Zum Beispiel das erste Date oder so. Am Nachmittag ging es mir nicht so gut, und ich war sehr nachdenklich und habe mich zurückgezogen. Aber die anderen haben mich vermisst und haben mir das gesagt und da wusste ich, ich bin wirklich ein Teil dieser Stufe, die ich bislang mehr von außen bewundert hatte – ich bin keine Außenstehende.
Das ist natürlich eine tolle Erfahrung, wenn man eigentlich nur für eine Zeit als Gastschülerin nach Kanada kommt.
Ja, total. Zwei Schüler haben mir auch noch einmal gesagt, wie nett und offen ich bin und das war dann echt total emotional. Ich dachte, ich will nie wieder hier weg. Ich werde die Stufe hier immer in Ehren halten, denn sowas habe ich noch nie gesehen – in keinem Film, in keinem Buch – und erlebt erst recht nicht. Schon am ersten Tag wurden wir in Zweiergruppen eingeteilt und haben uns gegenseitig gemalt und die Zeichnungen hingen dann im Gruppenraum. Jeder konnte hingehen und kleine Nachrichten auf das Plakat von den anderen schreiben. Als ich dann nach einiger Zeit wieder auf mein Plakat geschaut habe, fehlten mir die Worte. So viele Menschen haben ganz liebe Dinge darauf geschrieben - sogar mein Mathelehrer und viele andere, von denen ich das nie erwartet hätte. Das Plakat hängt auch jetzt hier in meinem Zimmer.
Wow. Das ist schon jetzt eine schöne Erinnerung an dein High-School-Jahr in Kanada und du bist ja noch eine Weile da.
Ja, zum Glück. Zum Abschied des Retreat gab es abends ein Bankett. Wir Mädels haben uns alle fein gemacht und es war unglaublich aufregend und spaßig. Als wir rauskamen standen die Jungs schon auf der Wiese am See und wir haben Tonnen von Bildern gemacht. Es war toll und wie im Film. Das Abendessen war an gedeckten Tischen mit Tischdecken und jedes Mädchen bekam eine Rose. Beim anschließenden Gottesdienst wurde es nochmal richtig emotional – ich habe echt noch nie so viel Zusammenhalt und Unterstützung erlebt wie in dieser Stufe. Ich kann einfach nicht glauben, dass die Hälfte meiner Zeit hier schon um ist. Aber irgendwie hat mir dieses Retreat immerhin ein bisschen die Chance gegeben, zu realisieren, dass ich nicht ganz vergessen werde, auch wenn ich hier weggehe. Weil ich hoffe, dass ich das Gefühl, dass ich durch die Leute hier bekomme auch an sie zurückgeben kann. Das Retreat hat dann mit einer Party geendet. Es war einfach die perfekte Mischung. Am nächsten Tag ging es wieder mit dem Bus nach Hause und Busfahrten mit Freunden sind immer schön, stimmt’s?
Das stimmt. Amelie, ich habe mich sehr gefreut, an deinen tollen Erfahrungen Teil zu haben. Vielen Dank! Ich freue mich schon auf das nächste Mal, wenn wir hier im Kanadablog von deiner Zeit als Austauschschülerin hören dürfen.